Zum Vortrag
Der Verlust der „Einheit“ der Geographie zeichnete sich bereits Anfang der 1960er-Jahre ab. Mit dem Kieler Geographentag 1969 und der darauf folgenden verstärkt einsetzenden Spezialisierung der beiden Geographien wurde sie zu einem empirischen Faktum. Die Humangeographie näherte sich immer mehr den Sozialwissenschaften an, die Physiogeographie der Physik. Ende der 1990er-Jahre setzte vor dem Hintergrund der globalen ökologischen Krise eine Neuthematisierung der Einheitsidee ein. Es wurden immer wieder Vorschläge zu einer „Reintegration“ der beiden Geographien vorgelegt. Im Referat werden derartige Vorschläge kritisch diskutiert und auf ihre Verwirklichungschancen überprüft. Als zentrale Probleme werden dabei vor allem das Fehlen einer viablen Hintergrundtheorie, ein in der Regel extrem reduktionistisches Verständnis von „Umwelt“ sowie das grundlegende erkenntnistheoretische Problem einer Verknüpfung realistischer und konstruktivistischer Weltperspektiven erörtert.
Zur Person
Peter Weichhart ist Professor für Humangeographie am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien. Seine Auseinandersetzung mit für die Geographie relevanten Grundsatzfragen stellt ein wichtiges Definitionselement seiner wissenschaftlichen Tätigkeit dar. Humanökologische und sozialökologische Ansätze der Geographie und damit verbunden Beziehungen zwischen Gesellschaft und Umwelt bzw. zwischen Physischer Geographie und Humangeographie im Sinne eines integrativen Ansatzes, Fragen nach Raumkonzepten und regionaler Identität lassen sich beispielhaft herausgreifen. Einen seiner jüngeren Arbeitsschwerpunkte bildet die Arbeit an Fragen zu multilokalen Lebensweisen. Aus seiner langjährigen und intensiven Publikationstätigkeit seien nur exemplarisch ein Lehrbuch zu Entwicklungslinien in der Sozialgeographie erwähnt sowie ein erst kürzlich veröffentlichter Beitrag, in dem er die gegenwärtige Wissenschaftspraxis mit dem Begriff des „Exzellenzstalinismus“ beschreibt. Peter Weichhart erhielt für seine Arbeit zahlreiche Auszeichnungen. So ist er Ehrenmitglied des „Institute for Human Ecology“, Sonoma, Cal., USA und erhielt vom Land Salzburg das Goldene Verdienstzeichen für seine Arbeit im Bereich der Raumordnung.
Zeit: Donnerstag, 18. Oktober 2012 - 18:00 bis 19:30 Uhr
Ort: Institut für Geographie und Raumforschung - Heinrichstraße 36 , 8010 Graz